Guten Abend, meine Damen und Herren.
Und vor allem begrüße ich einen großen Staatsmann und hochgeschätzten Freund: den langjährigen spanischen Ministerpräsidenten Felipe González!
Ein Musiker und ein Politiker: Im Spanischen geht das. Der „dirigente“ ist ein „politischer Führer“. Und er hat sein Land grandios dirigiert: von der Franco-Diktatur in die Demokratie. Und vor allem in die Europäische Union. Ein Visionär und doch pragmatisch. Ein überzeugter Europäer, mit weltweiter Anerkennung, bis heute. Ein „iberischer Willy Brandt“, mit dem er eng befreundet war.
Lieber Felipe, ich freue mich außerordentlich, heute diese Laudatio zu halten, da uns eine langjährige Freundschaft verbindet. Wir haben uns 1981 bei der Amtseinführung von François Mitterrand kennengelernt, ein Jahr bevor Du zum ersten Mal als Ministerpräsident Spaniens gewählt wurdest. Ich habe in den darauffolgenden Jahren mit großer Bewunderung dein Wirken verfolgt.
Deine 14 Jahre als Ministerpräsident haben so viel positiv verändert wie keine andere Epoche der spanischen Geschichte. Ein enormer Sprung nach vorn, in allen Bereichen. Die Herausforderung war groß. Die Ölkrise hatte die Unzulänglichkeit des von Franco geprägten autarken spanischen Wirtschafts- und Industriesystem gezeigt. Es galt, eine umfangreiche Umstrukturierung der Industrie voranzutreiben. Und Du hast Dich voller Überzeugung dafür eingesetzt, wenn notwendig auch gegen den Widerstand der Gewerkschaften, gegen den Druck von Parteien und Fraktionen, die links und rechts von Dir standen, und bereit waren, alles zu tun, um Deine Macht zu schwächen. Für Dich war politische Macht nie ein Selbstzweck sondern ein Mittel, Verantwortung zu übernehmen. Du hast es geschafft, Dein Land zu verwandeln und es für die Integration in die Europäische Union wettbewerbsfähig zu machen. „Modernisierung gelungen“, war deine Bilanz.
Eine Amtszeit mit vielen Highlights: die Weltausstellung in Sevilla, die Olympischen Spiele in Barcelona und Madrid als Kulturhauptstadt Europas.
Und dann fällt in Deutschland die Mauer. Du bist wie elektrisiert: Noch in der Nacht rufst du deinen Freund Helmut Kohl an mit einer bemerkenswerten Botschaft: “Wenn wir sehen, wie das Pferd der Geschichte an uns vorbei galoppiert, ist es nicht aufzuhalten. Herzlichen Glückwunsch. Ihr könnt auf mich zählen beim Prozess der Wiedervereinigung.”
Du hast damals Kanzler Kohl deine volle Unterstützung zugesagt. Übrigens als einziger Politiker im Westen. Du hast den Umbruch geahnt, die historische Chance, und den Anstoß gegeben zum entscheidenden EU-Sondergipfel in Paris zur deutschen Wiedervereinigung.
Und damit hast du dich um die Freiheit und Einheit Deutschlands und Europas außerordentlich verdient gemacht. „cambio“, der „Wandel“, die „Wende“ – darin bist du ja ein Meister. Du hattest es ja im eigenen Lande erlebt und gestaltet.
Heute bist du ein international geschätzter Ratgeber. Auch für die Europäische Union und ihre Zukunft.
“Wir Ex-Politiker sind wie chinesische Vasen, sie stören. Und genau das“, so sagst du, „sehe ich als meine Aufgabe.”
Mich hat sehr berührt, wie stark Du Dich für den Nahen Osten engagiert hast; eine Region die für Deine Vision des gleichberechtigten Zusammenlebens zweier Völker leider nicht weit genug war, und immer noch nicht ist. Du hast mit der Friedenskonferenz in Madrid 1991 ein neues Zeichen für den unbedingt notwendigen konstruktiven Dialog zwischen Israel und den Palästinensern gesetzt. Die Sorge um die Situation im Nahen Osten verbindet uns schon immer und leider gerade heute umso mehr.
Uns verbindet aber auch die Musik. Du hast mir zwar mal gesagt, dass Du nichts von Musik verstehst. Vielleicht fehlen Dir die Kenntnisse eines studierten Musikers. Die Gespräche, die ich mit Dir über Musik geführt habe, haben mir aber gezeigt, was für eine scharfe Beobachtungsgabe und eine feine Sensibilität Du für Musik hast. Als Du meine Proben mit dem West-Eastern Divan Orchestra in Sevilla besucht hast, konntest Du anschließend überaus spannende Vorträge über den Dialog der Instrumente und das „Wandern“ der Hauptstimme durchs Orchester halten. Deine Beobachtungen über die Rolle des Dirigenten im Orchester und Deine Analyse über das soziale Phänomen der Interaktion unter den Musikern eines Klangkörpers zeugten von einem tiefen Verständnis. Du hast die seltene Gabe, das Hören, Sehen und Denken immer in Einklang zu bringen.
Die Jury würdigt deine historischen Verdienste bei der deutschen Wiedervereinigung und dem europäischen Einigungsprozess. In einer entscheidenden Phase der jüngeren Geschichte hast du
als überzeugter Europäer mutig und solidarisch zu Deutschland gestanden.